Für Abkürzungen und Begriffserklärungen siehe Glossar & Abkürzungsverzeichnis.



Definition Versorgungsprozesse

Da die Szenarien des dgMP den Medikationsprozess sektorenübergreifend und verallgemeinernd behandeln, soll im Folgenden der dgMP anhand klinischer Fallbeispiele konkretisiert werden. Dies soll vor allem die sektoralen Übergänge und Besonderheiten verdeutlichen. Im Verlauf werden ergänzende klinische Fallbeispiele mit weiteren medizinischen Leistungserbringer:innen hinzukommen.

Gesamtprozess 

Voraussetzungen

  • elektronische Patientenakte (ePA) vorhanden & mit umfangreichen Zugriffsberechtigung sowie einer berechtigten Vertreterin versehen
  • ePA haus- & fachärztlich gut gepflegt
  • Patientenkurzakte (PKA) mit Notfalldatensatz auf ePA vorhanden (Anmerkung: aktuell noch nicht verfügbar, hier zur Veranschaulichung des optimierten Prozesses dargestellt)
  • Anmerkung: Dort wo auf noch nicht umgesetzte MIOs verwiesen wird. sind diese als perspektivisch (in Abhängigkeit vom Umsetzungsgrad) zu verstehen.

Ausgangssituation 

Frau Isolde Meinhardt, 75 Jahre, lebt bisher - mobil und ohne Hilfsmittel - selbst versorgend zu Hause. An Vorerkrankungen bestehen ein paroxysmales Vorhofflimmern, ein Bluthochdruck sowie eine chronische Herzinsuffizienz (siehe Klinische Daten). Hiergegen nimmt Frau Meinhardt, hausärztlich betreut, einen Blutverdünner sowie Herzmedikamente ein (siehe Medikationsplan vor Sturz). Frau Meinhardt besitzt eine haus- & fachärztlich gut gepflegte elektronische Patientenakte (ePA) inklusive Notfalldaten. Beim Einkaufen mit dem Fahrrad stürzt Frau Meinhardt aufgrund eines auf der Straße liegenden Steins schwer. Hinzugeeilte Passanten alarmieren den Rettungsdienst, aufgrund des Stichwortes "Bewusstlosigkeit" wird primär auch die Notärztin alarmiert. RTW und NEF treffen fast zeitgleich bei der Patientin ein.


Prozessdarstellung in BPMN



  • Beim Eintreffen des Rettungsdienstes zeigt Frau Meinhardt eine leichte Vigilanzminderung (GCS 13), sowie eine retrograde Amnesie zum Unfallereignis und ist somit nur eingeschränkt anamnestizierbar.
  • In der weiteren Untersuchung zeigt sich eine stark blutende Rissquetschwunde am Kopf, sodass sich die Verdachtsdiagnose Schädelhirntrauma ergibt. Des Weiteren weist Frau Meinhardt einen eindeutigen Oberschenkelhalsbruch auf sowie tiefere Abschürfungen an den Extremitäten.
  • Es findet eine erste Notfallbehandlung zur Blutstillung und Frakturstabilisierung statt.
  • Die Notärztin liest den Notfalldatensatz (Patientenkurzakte) aus, sowie den elektronischen Medikationsplan und die elektronische Medikationsliste (→ siehe UX-Visualisierungen). So kann sie schnell einsehen, welche relevanten Vorerkrankungen vorliegen und ob Frau Meinhardt wichtige Medikamente einnimmt, wie z.B. Blutverdünner. Frau Meinhardt nimmt tatsächlich den Blutverdünner Phenprocoumon bei Vorhofflimmern, sowie mehrere Herzmedikamente ein, da eine Herzinsuffizienz und Bluthochdruck vorliegen. (Anmerkung: Aktuell gibt es noch keine technische Möglichkeit für den Rettungsdienst, auf die ePA zuzugreifen. Der Vorgang wurde hier dennoch als idealtypische Zukunftsperspektive aufgenommen, um an dieser Stelle das Potenzial aufzuzeigen.)
  • Aufgrund der Kopfverletzung bei bestehender Blutverdünnung und Bewusstseinseinschränkung entscheidet sich die Notärztin ein etwas weiter entferntes Krankenhaus mit Neurochirurgie und cCT-Möglichkeit anzufahren. Die Notärztin informiert bereits auf dem Weg ins Krankenhaus die Klinik über den eingenommenen Blutverdünner und das Verletzungsmuster sowie über die in den Notfalldaten notierte Blutgruppe von Frau Meinhardt.
  • Außerdem erfolgt die (elektronische) Dokumentation des Einsatzes im Notarzt-/Rettungsdienst-Protokoll

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  • Notfallanamnese (medikationsbezogen)


Legende

  • blau: Verwaltungs-Task
  • grün: Medikations-Task mit Bezug zu dgMP-Artefakten
  • rot: Start / Stopp des Prozesses
  • orange: Zwischenereignis/-prozess, welches einen nicht näher definierten Zeitraum einnehmen kann


Notärztin sichtet Inhalte der elektronischen Patientenakte auf dem Tablet 

BPMN
Beschreibung


  • In der Notaufnahme erfolgt die notärztlichen Übergabe mit Übermittlung des (e)Protokolls. Außerdem erfolgt die administrative Aufnahme der Patientin.
  • Die Anamnese erfolgt sowohl ärztlich unter Hinzuziehen der Vorbefunde aus der ePA (inkl.MIO Medikationsplan und eML sowie Notfalldatensatz und perspektivisch MIO Impfass) sowie durch eine/n Apotheker:in für die Medikationsanamnese und die Umstellung der Medikation auf die Hausliste des Krankenhauses (→ siehe UX-Visualisierungen). Die Verordnung der Medikation erfolgt ärztlicherseits.
  • Noch in der Notaufnahme erhält Frau Meinhardt eine Tetanus-Auffrischungsimpfung, da die letzte Tetanusimpfung schon zu lange her ist. Diese wird in das MIO Impfpass eingetragen (Anmerkung: perspektivisch, in Abhängigkeit des Umsetzungsstands).
  • Nachdem sich im cCT ein lineares, hyperdenses Areal in einem Sulcus rechts frontal zeigte, das auf eine kleine SAB (Gehirnblutung) hindeutet, wird Frau Meinhardt zur Überwachung und Gerinnungsoptimierung auf die IMC-Station verlegt. Dort erhält sie PPSB und Vitamin K sowie nach Kreuzblut-Abnahme auch eine Bluttransfusion bei niedrigem Hb-Wert und entsprechendem Risikoprofil. Nachdem sich die SAB in der cCT-Kontrolle 6 Stunden später ohne Progredienz zeigt und Frau Meinhardt im Bewusstsein aufklart (GCS 15), beginnen die OP-Vorbereitungen für den Oberschenkelhalsbruch mit kardiologischem & anästhesiologischem Konsil, Herz-Echo und Röntgen-Thorax.
  • Frau Meinhardt wird am nächsten Tag, noch innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall operiert und auf die chirurgische Normalstation verlegt. Hier erfolgt die weitere chirurgische Nachsorge/Behandlung unter Beteiligung einer/s Stationsapotheker:in.
  • Nach einem komplikationslosen frühpostoperativen Verlauf wird Frau Meinhardt zeitnah in eine Fachklinik für Geriatrie zur geriatriatrische Komplexbehandlung (GKB) verlegt. Hierzu erstellt die unfallchirurgische Stationspflegekraft das MIO Überleitungsbogen. Ebenfalls erstellt wird ein MIO Krankenhaus-Entlassbrief (→ siehe UX-Visualisierungen), welches an den behandelnden Hausarzt und die Reha-Klinik übersandt wird, sodass diese über die erfolgte OP und die nötige Nachbehandlung informiert sind. Weiterhin wird das MIO Medikationsplan um die vorübergehend notwendige Thromboseprophylaxe und die pausierte orale Antikoagulation aktualisiert. Auch wurde ein Teil der Blutdruck-Medikation pausiert, da der Blutdruck aufgrund der Analgetika-Therapie zu niedrig war. Dies erfolgt gemeinschaftlich durch den/die Stationsapotheker:in sowie den/die Stationsärzt:in. Da alle Medikamente behandlungsrelevant sind und somit bei der Weiterbehandlung von der Rehaklinik zur Verfügung gestellt werden müssen, werden keine Entlassrezepte erstellt.

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Legende

  • blau: Verwaltungs-Task
  • grün: Medikations-Task mit Bezug zu dgMP-Artefakten
  • rot: Start / Stopp des Prozesses
  • orange: Zwischenereignis/-prozess, welches einen nicht näher definierten Zeitraum einnehmen kann


Ärztin und Krankenhausapotheker stellen Medikation auf die Hausliste des Krankenhauses um


Stationsarzt stellt Medikation auf Entlassmedikation um

BPMN
Beschreibung


  • In der geriatrischen Komplexbehandlung (GKB) erfolgt nach der administrativen Aufnahme ebenfalls eine ärztliche & apothekerische Anamnese unter Hinzunahme der entsprechenden Dokumente.
  • Im Verlauf der Reha erfolgt eine ausführliches geriatrisches Assessment mit anschließender Optimierung der Medikation (durch Stationsapotheker:in & Stationsärzt:in) und Empfehlung häuslicher Hilfsmittel, das MIO Medikationsplan wird entsprechend aktualisiert (Stationsapotheker:in).
  • Im Verlauf der GKB erreicht Frau Meinhardt volle Mobilität und kann nach Hause entlassen werden. Da noch ein Defizit im Bereich der Selbstversorgung besteht, wurde ein Pflegegrad beantragt und ein ambulanter Pflegedienst organisiert. Hierzu wird erneut ein MIO Überleitungsbogen verfasst. Der behandelnde Hausarzt erhält - neben dem aktualisierten MIO Medikationsplan - ein MIO Krankenhaus-Entlassbrief von der Geriatrischen Klinik, sodass er die Medikationsumstellung nachvollziehen kann und über die noch nötige Nachbehandlung informiert ist. Zu Letzterem erstellt die Klinik auch einen IRENA-Plan (PDF-Dokument). Des Weiteren werden im Rahmen des Entlassmanagements entsprechende Entlass-Rezepte ausgestellt und an die Patient:in übermittelt.

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Legende

  • blau: Verwaltungs-Task
  • grün: Medikations-Task mit Bezug zu dgMP-Artefakten
  • rot: Start / Stopp des Prozesses
  • orange: Zwischenereignis/-prozess, welches einen nicht näher definierten Zeitraum einnehmen kann
BPMN
Beschreibung


  • Nach der Entlassung stellt sich Frau Meinhardt mit ihren Entlass-Rezepten bei ihrer Stammapotheke vor. Diese rufen das Rezept über den eRezept-Fachdienst ab und dispensieren die Medikation nach entsprechender Prüfung der medikationsrelevanten Daten (→ siehe UX-Visualisierungen).
  • Außerdem wird noch eine OTC-Medikation dispensiert (Macrogol). Auch hier werden die medikationsrelevanten Daten geprüft und anschließend aktualisiert.

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Legende

  • blau: Verwaltungs-Task
  • grün: Medikations-Task mit Bezug zu dgMP-Artefakten
  • rot: Start / Stopp des Prozesses
  • orange: Zwischenereignis/-prozess, welches einen nicht näher definierten Zeitraum einnehmen kann

Apothekerin dispensiert Medikamente zu eRezepten und überprüft Medikationsplan

BPMN
Beschreibung


  • Frau Meinhardt nimmt nun ihre Medikation ein. Mit Hilfe ihrer ePA-App kann sie das MIO Medikationsplan einsehen und diesem die korrekte Dosierung und die zugehörigen Einnahmezeitpunkte entnehmen.
  • Um das weitere Vorgehen zu klären, vereinbart sie einen Kontrolltermin in der hausärztlichen Praxis.

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Legende

  • blau: Verwaltungs-Task
  • grün: Medikations-Task mit Bezug zu dgMP-Artefakten
  • rot: Start / Stopp des Prozesses
  • orange: Zwischenereignis/-prozess, welches einen nicht näher definierten Zeitraum einnehmen kann
BPMN
Beschreibung


  • In der hausärztlichen Praxis werden nach der administrativen Aufnahme eine ärztliche Anamnese und Diagnostik durchgeführt. Hierbei sichtet die Hausärztin die von den Krankenhäusern übermittelten Dokumente sowie das durch die Apotheke zuletzt aktualisierte MIO Medikationsplan (→ siehe UX-Visualisierungen).
  • Die Hausärztin nimmt eine Anpassung der Medikation vor: Da Frau Meinhardt nicht mehr so viel Schmerzmittel benötigt und mobiler geworden ist, haben sich auch ihre Blutdruckwerte wieder verändert. Sie erstellt neue eRezepte und aktualisiert die medikationsrelevanten Daten (MIO Medikationsplan, AMTS-rZI) (→ siehe UX-Visualisierungen). Ansonsten folgt sie der Empfehlung des Krankenhaus-Entlassbriefs und verordnet eine ambulante Physiotherapie. Außerdem aktualisiert sie das MIO Patientenkurzakte um die neu hinzugekommenen Diagnosen.

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  • grün: Medikations-Task mit Bezug zu dgMP-Artefakten
  • rot: Start / Stopp des Prozesses
  • orange: Zwischenereignis/-prozess, welches einen nicht näher definierten Zeitraum einnehmen kann

Hausärztin sichtet Inhalte der elektronischen Patientenakte und importiert relevante Daten in das PVS

Hausärztin bearbeitet Medikationsplan und erstellt neue Rezepte

BPMN
Beschreibung


  • Nach der Vorstellung in der hausärztlichen Praxis begibt sich Frau Meinhardt erneut zu ihrer Stammapotheke. Dort werden die eRezepte über den eRezept-Fachdienst abgerufen und die Medikation nach Prüfung der medikationsrelevanten Daten ausgehändigt.

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  • grün: Medikations-Task mit Bezug zu dgMP-Artefakten
  • rot: Start / Stopp des Prozesses
  • orange: Zwischenereignis/-prozess, welches einen nicht näher definierten Zeitraum einnehmen kann
BPMN
Beschreibung


  • Frau Meinhardt stellt sich anschließend in der physiotherapeutischen Praxis vor. Nach der administrativen Aufnahme erfolgt eine Anamnese unter Hinzunahme der entsprechenden Dokumente, welche der Physiotherapeut in der ePA einsehen kann.
  • Der ambulante Physiotherapeut kann die Therapie optimal auf Frau Meinhardts Bedürfnisse anpassen, da er Einsicht in den Medikationsplan und Reha-Bericht hat. So kommt es schnell zur Genesung.
  • Nach der Behandlung wird ein Therapiebericht erstellt und an die Hausärztin übermittelt.

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Legende

  • blau: Verwaltungs-Task
  • grün: Medikations-Task mit Bezug zu dgMP-Artefakten
  • rot: Start / Stopp des Prozesses
  • orange: Zwischenereignis/-prozess, welches einen nicht näher definierten Zeitraum einnehmen kann
BPMN
Beschreibung


  • Im Anschluss findet ein Kontrolltermin in der hausärztlichen Praxis statt. Hier können die Hausärztin und Frau Meinhardt gemeinsam die nächsten Schritte der Therapie besprechen und planen. Falls gewünscht kann der Therapiebericht des Physiotherapeuten in der ePA eingesehen und daraus in Frau Meinhardts Patientenakte übernommen werden. Ansonsten sind vorerst keine weiteren Schritte nötig. Frau Meinhardt hat sich von ihrem Sturz optimal erholt.

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Legende

  • blau: Verwaltungs-Task
  • grün: Medikations-Task mit Bezug zu dgMP-Artefakten
  • rot: Start / Stopp des Prozesses
  • orange: Zwischenereignis/-prozess, welches einen nicht näher definierten Zeitraum einnehmen kann
BPMN
Beschreibung