Rechtlicher Rahmen

Gemäß § 355 Absatz 2c Sozialgesetzbuch V (SGB V) wird festgelegt, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Festlegungen für die semantische und syntaktische Interoperabilität von Daten trifft, die aus einem Hilfsmittel oder Implantat nach § 374a Absatz 1 SGB V über eine Backend-Schnittstelle in eine Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) nach § 139e SGB V übermittelt werden. Nach § 374a Absatz 1 SGB V werden solche Hilfsmittel oder Implantate betrachtet, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung an Versicherte abgegeben werden und die Daten über die versicherte Person elektronisch über öffentlich zugängliche Netze an den Hersteller oder Dritte übertragen. Es ist vorgesehen, dass das MIO regelmäßig fortgeschrieben wird. § 374a definiert als Optionen für die zu nutzenden Standards in folgender Reihenfolge:

  1. Festlegungen der KBV nach § 355 SGB V
  2. empfohlene Standards und Profile im Interoperabilitätsverzeichnis nach § 385 SGB V
  3. offene, international anerkannte Standards

  4. offengelegte Profile über offene, international anerkannte Standards, deren Aufnahme in das Interoperabilitätsverzeichnis nach § 385 beantragt wurde

Weitere erforderliche technische Festlegungen, insbesondere zur sicheren gegenseitigen Identifizierung der Produkte bei der Datenübertragung, werden durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) getroffen. Diese Festlegungen sind nicht teil des MIOs.

Bedarf und Anwendungsfälle für das MIO

Das MIO DiGA Device Toolkit ermöglicht die interoperable Kommunikation zwischen Backend von Geräte-HerstellerInnen und Backend von DiGA-HerstellerInnen. Dies kann beispielsweise bei einer Übertragung von Daten, die durch Glukoseüberwachungssysteme oder mobile EKG-Geräte gesammelt wurden und von den HerstellerInnen vorgehalten werden, genutzt werden.

Aktuell ist uns keine direkte Backend-zu-Backend-Verbindung zwischen Geräten und zugelassenen DiGA aus dem DiGA-Verzeichnis nach § 139e SGB V (Stand: Januar 2022) wie in § 374a Absatz 1 SGB V dargestellt bekannt. Jedoch werden bereits Direkt-Verbindungen per Bluetooth verwendet, sowie Backend-zu-Backend Verbindungen für Lifestyle-Geräte, wie beispielsweise Fitness-Tracker.

In Gesprächen mit DiGA-HerstellerInnen wurden keine konkreten Anwendungsszenarien oder Bedarfe genannt, weshalb wir uns in der erstmaligen Festlegung an den bestehenden Szenarien mit Lifestyle-Geräten orientieren. Der Fokus liegt hierbei auf Vitalzeichen und Körpermaßen. Die erste Version des MIO DiGA Device Toolkit konzentriert sich somit auf die Übertragung von Messwerten der Vitalzeichen und Körpermaße einer versicherten Person von Geräte-Backend zu DiGA-Backend.

Wir stehen im Dialog mit den DiGA- und Geräte-HerstellerInnen sowie den IT- und Industrieverbänden, um den zukünftigen Bedarf für das hier betrachtete MIO zu ermitteln.

Bestehende Arbeiten und Vorgaben zum MIO DiGA Device Toolkit

Im Folgenden werden exemplarisch einige Arbeiten und Vorgaben im In- und Ausland beschrieben. Dies stellt keine abschließende Auflistung aller relevanten Arbeiten im Kontext MIO DiGA Device Toolkit dar.

Arbeiten in Deutschland

  • DiGA-Leitfaden des BfArM legt bereits zu verwendende Standards und deren Priorisierung für Kommunikation zwischen Geräten und DiGA fest
  • Für die direkte Kommunikation zwischen Geräten und DiGA (z.B. über Bluetooth), sollen Standards aus der Standardfamilie ISO/IEEE 11073 verwendet werden, diese sind international bereits weit verbreitet1
    • Grundlage für Standard „IEEE 11073-20702 – Health informatics – Point-of-care medical device communication Part 20702: Medical Devices Communication Profile for Web Services“ (kurz „Medical DPWS“ oder „MDPWS“) ist SDC vom OR.NET e.V.2
    • Service-Oriented Device Connectivity (SDC) ist die deutsch geprägte Entwicklung eines offenen Standards für Kommunikation zwischen Medizinprodukten
    • Ursprünglicher Fokus auf Geräten in OP-Räumen, inzwischen Standardfamilie ausgebaut
    • MDPWS definiert Erweiterungen und Einschränkungen für Geräte, um Sicherheitsanforderungen zu erfüllen
    • ISO/IEEE 11073 ist ebenfalls als Norm des Deutschen Instituts für Normierung e.V. (DIN) als DIN EN ISO Standard 11073 festgelegt3
  • Für den Austausch von Daten mittels FHIR®-Suche wurden für Informationstechnische Systeme in Krankenhäusern (ISiK) in der Spezifikation "ISiK-Basismodul" der gematik bereits standardisierte Datenstrukturen für FHIR® und Suchparameter erarbeitet. Wir orientieren uns im MIO DiGA Device Toolkit an diesen Suchparametern4

Arbeiten und Vorgaben im europäischen Ausland

  • Internationaler Standard für die Kommunikation von Medizinprodukten ISO/IEEE 11073 ist ebenfalls als Europäische Norm (EN) festgelegt und von mehreren Europäischen Normierungs-Instituten veröffentlicht, u.a.:
    • British Standards Institution (BSI)5
    • Dansk Standardiseringsrad (DS)6
    • Deutsches Institut für Normierung e.V. (DIN)
  • Konzept der DiGA im europäischen Ausland noch nicht etabliert, mehrere Staaten der europäischen Union planen DiGA-Konzept zu übernehmen7

Arbeiten und Vorgaben im nicht europäischen Ausland

  • Internationaler Standard für Kommunikation von Medizinprodukten: ISO/IEEE 11073
  • Konzept der DiGA im nicht europäischen Ausland noch nicht etabliert
  • Mit dem "Devices on FHIR® - Point-of-Care Device" General Implementation Guide finden Bemühungen, vor allem seitens HL7, statt, die Kommunikation zwischen medizinischen Geräten über FHIR® zu ermöglichen und zu standardisieren. Das Devices on FHIR® Projekt befindet sich aktuell noch in einem frühen Stadium, die Spezifikationen liegen nur als Entwürfe vor8

Fazit

Aufgrund der bereits aufgeführten existierenden Arbeiten und Vorgaben ist das MIO DiGA Device Toolkit in der ersten Version eine eigene FHIR®-Spezifikation mit geringem Umfang und Fokus auf Vitalzeichen und Körpermaße. Damit ermöglichen wir zukünftig eine schnelle und flexible Anpassung an weitere Entwicklungen, bleiben offen für die Integration eines künftigen Standards "Devices on FHIR®" und ermöglichen das Ausweichen auf den international etablierten ISO 11073 Standard, der aktuell vom BfArM als empfohlene interoperable Schnittstelle vorgesehen ist.


Stand: Januar 2022

Referenzen

1 https://standards.ieee.org/standard/11073-10419.html

2 https://ornet.org/services-2-2-3/

3 https://www.beuth.de/de/norm/din-en-iso-11073-10427/288322285

4 https://fachportal.gematik.de/informationen-fuer/isik

5 https://doi.org/10.3403/BSENISO11073

6 https://webshop.ds.dk/da-dk/s%c3%b8gning?q=DS%2FEN+ISO+11073

7 https://www.handelsblatt.com/inside/digital_health/innovation-gesundheits-apps-werden-zum-exportschlager-/27809340.html

8 https://simplifier.net/guide/DevicesonFHIR-Point-of-CareDeviceGeneralImplementationGuide/DecemberBallotForward