Rechtlicher Rahmen

Die Entwicklung des MIO Telemedizinisches Monitoring leitet sich aus den folgenden zwei Paragraphen des SGB V ab:

  • § 355 Absatz 2d Satz 1 SGB V: Die KBV trifft erstmals bis zum 30. Juni 2022 die notwendigen Festlegungen für die semantische und syntaktische Interoperabilität von Daten, die im Rahmen des telemedizinischen Monitorings verarbeitet werden. 
  • § 367a Absatz 1 Satz 3 SGB V: In der Vereinbarung [über technische Verfahren bei telemedizinischem Monitoring] (…) ist vorzusehen, dass den Versicherten therapierelevante Daten in einem interoperablen Format nach § 355 Absatz 2d zur Verfügung gestellt werden.

Aus der Gesetzesbegründung des  Gesetzgebungsverfahren zum Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) geht hervor, dass die KBV die Festlegungen treffen soll, damit die im Rahmen des telemedizinischen Monitoring verarbeiteten Daten als Zusammenfassungen zu Messwerten und Therapieverläufen in einem interoperablen Format zur Verfügung stehen und in die elektronische Patientenakte (ePA) eingestellt werden können.

Für PatientInnen mit chronischer Herzinsuffizienz wurde durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) Ende 2020 eine Aufnahme von Leistungen des telemedizinischen Monitorings in die Regelversorgung beschlossen, sofern bestimmte weitere Indikationskriterien vorliegen1. Hierbei werden Daten erfasst und engmaschig beobachtet, welche entweder von kardialen Aggregaten (z.B. ICD, CRT-P oder CRT-D) oder von externen Geräten erhoben und telemedizinisch übermittelt werden. Ende 2021 wiederum erfolgte eine Aufnahme von abrechenbaren Leistungsziffern für das Telemonitoring bei Herzinsuffizienz in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM)2. Eine Vereinbarung zwischen der KBV und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) über technische Verfahren bei telemedizinischem Monitoring nach § 367a Absatz 1 Satz 2 SGB V wird festlegen, wie zukünftig Daten aus kardialen Aggregaten bzw. externen Geräten in ein telemedizinisches Zentrum (TMZ) übermittelt werden sollen. 

Mit dem MIO Telemedizinisches Monitoring wird zunächst sichergestellt, PatientInnen therapierelevante Daten als Zusammenfassungen zur Verfügung zu stellen (vgl. Abbildung 1). 

Fachliche Entwicklungsgrundlage MIO

Die fachliche Grundlage für die Entwicklung dieses MIO entspricht in der ersten Version zunächst den Überlegungen und Recherchen, die dem oben angegebenen G-BA-Beschluss zur Aufnahme des telemedizinischen Monitorings bei Herzinsuffizienz zugrunde liegen. Diese sind vollumfänglich in der zusammenfassenden Dokumentation3 und dem entsprechenden Anhang4 dokumentiert. Die im Rahmen der hierin skizzierten Behandlungsmethoden erhobenen bzw. ausgewerteten Parameter standardisiert dokumentierbar und interoperabel verfügbar zu machen, stellt die Mindestanforderung an unsere MIO-Entwicklung dar.  

Die wesentlichen Akteure im Anwendungsszenario "telemedizinisches Monitoring bei Herzinsuffizienz" sind die/der sogenannte primär behandelnde ÄrztIn (PBA) und ein telemedizinisches Zentrum (TMZ). Primär behandelnde ÄrztInnen können beispielsweise HausärztInnen, KardiologInnen oder PneumologInnen sein. Sie sind für die direkte Versorgung der versicherten Person und für das Treffen von Therapieentscheidungen zuständig. Das ärztliche TMZ ist unter anderem für das Datenmanagement und die technische Ausstattung der PatientInnen zuständig – nach Abstimmung im Vertretungsfall auch für die Aufgaben der/des PBA. Die Aufgaben des TMZ können ausschließlich KardiologInnen übernehmen, welche bestimmte zusätzliche Voraussetzungen erfüllen.5 Für welche PatientInnen das Telemonitoring infrage kommt, welche Aufgaben ein/e PBA dabei konkret haben und wie die Zusammenarbeit mit dem TMZ funktioniert, wird auf der Themenseite Telemonitoring Herzinsuffizienz der KBV erläutert.

Im Vordergrund der MIO-Entwicklung steht die Übermittlung von strukturierten Informationen zu den erhobenen Parametern und zum aktuellen Stand der Behandlung an die versicherte Person über die ePA. Die Übermittlung kann beispielsweise über ein Praxisverwaltungssystem (PVS) der/des PBA ausgelöst werden. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung des MIO orientieren wir uns an einem Befundbericht mit Arztbriefcharakter, welcher unter anderem Informationen zur Anamnese, zur aktuellen Medikation einer versicherten Person oder zum weiteren Prozedere beinhalten kann. Die/der ErstellerIn des MIO kann hierbei sowohl die/der PBA als auch das TMZ sein. Dies wird im folgenden Schaubild veranschaulicht:

Abb. 1: Datenfluss bei telemedizinischem Monitoring.

Die technische Ausgestaltung des MIO erfolgt teilstrukturiert, sodass sowohl die Verwendung international anerkannter Terminologien unterstützt wird als auch eine freitextliche Verwendung der medizinischen Datenelemente möglich ist. Auf die Übertragbarkeit bereits in strukturierter Form im Primärsystem vorliegender Informationen wurde ein besonderer Wert gelegt, um den Mehraufwand für die erstellende Person so gering wie möglich zu halten. Da eine Aufnahme weiterer Indikationen für das telemedizinische Monitoring zukünftig zu erwarten ist, erfolgt die Ausgestaltung zudem mit der Prämisse eines einfach erweiterbaren Datenmodells, um perspektivisch weitere telemedizinische Monitoring-Anwendungsszenarien mit dem MIO bedienen zu können. 

Der MIO-Entwicklungsprozess zeichnet sich darüber hinaus durch die aktive Einbindung der relevanten und maßgeblich beteiligten Stakeholder bzw. Interessengruppen aus, z.B. im Rahmen von Workshops oder auch virtuellen Expertenaustauschen. Um eine adäquate Repräsentation der relevanten medizinischen Informationen für die hier betrachtete telemedizinische Monitoring-Anwendung zu gewährleisten, haben wir uns intensiv mit beteiligten Fachorganisationen, praktizierenden ÄrztInnen und mit Patientenverbänden ausgetauscht. Darüber hinaus wird das MIO in einer öffentlichen Kommentierungsphase zur Diskussion gestellt, bevor die offizielle Benehmensherstellung6 initiiert wird. 

Weitere Entwicklungen im MIO-Kontext

Um die Erweiterbarkeit des Datenmodells auf weitere Anwendungsszenarien des telemedizinischen Monitorings sicherzustellen, wurde eine Begleitrecherche in diesem Themenfeld durchgeführt. In diesem Rahmen erfolgte u.a. eine systematische Analyse von Projekten, die im Interoperabilitätsverzeichnis des deutschen Gesundheitswesens (vesta)7 gelistet sind sowie eine allgemeine Literaturrecherche. 

Im Folgenden werden exemplarisch einige vergleichbare Anwendungen von telemedizinischem Monitoring bei anderen Erkrankungen im In- und Ausland beschrieben. Die Auflistung ist nicht abschließend und stellt keine zukünftigen MIO-Fortschreibungen dar, da hierzu noch Versorgungsszenarien notwendig sind, die sich z.B. aus weiteren G-BA-Beschlüssen ergeben können.

ErkrankungBeschreibung der Methode des telemedizinischen Monitorings
Arterielle HypertonieBlutdruckwerte aus Selbstmessungen können telemedizinisch übermittelt und überwacht werden, so dass bei einer inadäquaten Blutdruckeinstellung zeitnah interveniert werden kann.
Diabetes mellitusBlut- oder Gewebezuckermessungen (z.B. aus kontinuierlichen Glucosemesssystemen) können telemedizinisch übermittelt und überwacht werden, so dass bei kritischen Entwicklungen zeitnah die medikamentöse Einstellung des Diabetes mellitus optimiert werden kann.9 
Schlafapnoe (OSAS)Bei Schlafapnoe eingesetzte CPAP-Beatmungsgeräte können über ein integriertes Telemedizinmodul regelhaft Therapiedaten an PatientIn und behandelnde Personen senden. Dies zeigt Probleme mit der Therapie frühzeitig und durch gezielte Interventionen kann der Patientin bzw. der versicherten Person ggf. geholfen werden, sich besser an ihre Therapie zu gewöhnen.10
COPDCOPD-PatientInnen übertragen regelmäßig Vitalparameter wie Puls, Sauerstoffsättigung und Atemfrequenz, ggf. auch Spirometrie-Parameter an medizinische Zentren - hierüber können stille Verschlechterungen schneller erkannt und ein rechtzeitiges medikamentöses Gegensteuern ermöglicht werden.11
COVID-19Über telemedizinisch ausgestattete Sensoren werden bei ambulant geführten COVID-19-PatientInnen regelmäßig bestimmte Vitalparameter wie z.B. Temperatur, Herzfrequenz, Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung übermittelt und überwacht. So kann einerseits auf kritische Entwicklungen schneller reagiert und andererseits die Exposition medizinischen Personals zu infektiösen PatientInnen reduziert werden.12
Morbus Parkinson

Die direkte Analyse und Dokumentation der von Sensoren im Alltag erfassten Daten der Parkinsonkranken soll es den behandelnden ÄrztInnen ermöglichen, deutlich früher zu intervenieren als bisher. Ziel ist hierbei eine eine höhere Versorgungsqualität, die einhergeht mit einer gesteigerten Lebensqualität der PatientInnen und weniger stationären Notfallbehandlungen.13

Fazit

Mit dem MIO Telemedizinisches Monitoring wurde erstmals eine semantische und syntaktische Spezifizierung der Informationen entwickelt, die beim telemedizinischen Monitoring von PatientInnen mit Herzinsuffizienz für die Versorgung relevant sind. PatientInnen erhalten so einen transparenten, einheitlichen und übersichtlichen Bericht zum aktuellen Behandlungszustand ihrer Erkrankung. Die an der Versorgung beteiligten behandelnden Personen erhalten ein interoperables Austauschformat, mit der sich die Effizienz in der unmittelbaren Versorgung und in der Kommunikation mit weiteren LeistungserbringerInnen steigern lässt. Im Rahmen geplanter Fortschreibungen ist eine Ausweitung der Anwendungsszenarien über das Telemonitoring von PatientInnen mit Herzinsuffizienz bereits vorbereitet. 

Murphie P, Little S, McKinstry B, Pinnock H. Remote consulting with telemonitoring of continuous positive airway pressure usage data for the routine review of people with obstructive sleep apnoea hypopnoea syndrome: A systematic review. J Telemed Telecare 2019 Jan;25(1):17-25.

Querverweise

1 GBA-Beschlusstext: https://www.g-ba.de/downloads/39-261-4648/2020-12-17_MVV-RL_Telemonitoring-Herzinsuffizienz_BAnz.pdf
2 Beschluss zur Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM): https://www.kbv.de/media/sp/EBM_2022-01-01_EBA_76_BeeG_FinE_Teil_A_B_Telemonitoring_Herzinsuffizinez.pdf
3 Zusammenfassende Dokumentation zum GBA-Beschluss: https://www.g-ba.de/downloads/40-268-7197/2020-12-17_MVV-RL_Telemonitoring-Herzinsuffizienz_ZD.pdf
4 Anlage zur Zusammenfassenden Dokumentation zum GBA-Beschluss: https://www.g-ba.de/downloads/40-268-7198/2020-12-17_MVV-RL_Telemonitoring-Herzinsuffizienz_ZD-Anlage.pdf

5 GBA-Beschlusstext: https://www.g-ba.de/downloads/39-261-4648/2020-12-17_MVV-RL_Telemonitoring-Herzinsuffizienz_BAnz.pdf
6 Verfahrungsordnung Benehmensherstellung Medizinische Informationsobjekte: https://www.kbv.de/media/sp/2021-02-02_MIO-Verfahrensordnung.pdf
7 Interoperabilitätsverzeichnis des deutschen Gesundheitswesens: https://www.vesta-gematik.de/

8 Beger, C., Haller, H., Limbourg, F.P. Telemonitoring und E-Health bei arterieller Hypertonie. Internist. 2021;62:263–268. doi.org/10.1007/s00108-021-00966-6
9 Andrès E, Meyer L, Zulfiqar AA, et al. Telemonitoring in diabetes: evolution of concepts and technologies, with a focus on results of the more recent studies. J Med Life. 2019;12(3):203-214. doi:10.25122/jml-2019-0006
10 Murphie P, Little S, McKinstry B, Pinnock H. Remote consulting with telemonitoring of continuous positive airway pressure usage data for the routine review of people with obstructive sleep apnoea hypopnoea syndrome: A systematic review. Journal of Telemedicine and Telecare. 2019;25(1):17-25. doi:10.1177/1357633X17735618
11 Kruse C, Pesek B, Anderson M, Brennan K, Comfort H. Telemonitoring to Manage Chronic Obstructive Pulmonary Disease: Systematic Literature Review. JMIR Med Inform. 2019;7(1):e11496. Published 2019 Mar 20. doi:10.2196/11496
12 Wurzer D, Spielhagen P, Siegmann A, Gercekcioglu A, Gorgass J, et al. (2021) Remote monitoring of COVID-19 positive high-risk patients in domestic isolation: A feasibility study. PLOS ONE 2021;16(9): e0257095. doi.org/10.1371/journal.pone.0257095
13 Projekt-Homepage einer laufenden RCT-Studie zu Telemonitoring bei Morbus Parkinson: https://www.telepark-sachsen.de/