Hier finden Sie einen Überblick über die rechtlichen und inhaltlichen Rahmenbedingungen und Grundlagen, die in die Erstellung des MIO Krankenhaus-Entlassbrief eingeflossen sind.

RAHMENVERTRAG ENTLASSMANAGEMENT

Nach Abschluss einer Krankenhausbehandlung haben gesetzlich Versicherte nach § 39 Absatz 1a SGB V beim Übergang in die nachfolgende Versorgung den gesetzlichen Anspruch auf ein Entlassmanagement. Ziel ist es, die Kontinuität der Versorgung zu gewährleisten, Versicherte und ihre Angehörigen zu entlasten, die Kommunikation zwischen den beteiligten Versorgungsbereichen zu verbessern und eine gezielte Nachversorgung zu unterstützten.

Das Entlassmanagement erfolgt patientenindividuell, ressourcen- und teilhabeorientiert. Es setzt die vorherige Information des/r PatientIn und sein/ihr schriftliches Einverständnis, vor allem in die erforderliche Datenverarbeitung und –übermittlung, voraus. Bedarf es einer Anschlussversorgung, so stellen die Vorgaben des Rahmenvertrags Entlassmanagement nach § 39 Abs. 1a S. 9 SGB V [1] die lückenlose Anschlussversorgung sicher. Das Entlassmanagement beinhaltet die Zusammenarbeit von ärztlichem Personal, psychotherapeutischem Personal, Pflegepersonal, Sozialdienst, KrankenhausapothekerInnen und weiteren am Entlassmanagement beteiligten Berufsgruppen.

Am Tag der Entlassung erhält die behandelte Person bzw. deren gesetzliche Vertretung einen – ggf. vorläufigen - Entlassbrief. Mit Einwilligung der behandelten Person erhält der Arzt oder die Ärztin, der/die mit der Anschlussversorgung betreut ist, ebenfalls selbigen – ggf. vorläufigen - Entlassbrief. Sofern die Anschlussversorgung nicht durch den einweisenden Arzt oder die einweisende Ärztin durchgeführt wird, erhält die weiterbehandelnde ärztliche Person, beispielsweise HausärztIn oder FachärztIn, mit Einwilligung der behandelten Person ebenfalls den Entlassbrief. Dieser dient auch, im Zusammenhang mit weiteren Dokumenten, zur Information von Pflege- und Rehaeinrichtungen sowie weiteren Leistungserbringenden.

Der Entlassbrief stellt im Rahmen des Entlassmanagements die für eine Versorgungskontinuität notwendigen Informationen bereit. Er enthält alle für die Weiterbehandlung und Anschlussversorgung des/r PatientIn erforderlichen Informationen. Besteht die Notwendigkeit, im Rahmen des Entlassmanagements Leistungen nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 12 und 14 SGB V zu verordnen oder die Arbeitsunfähigkeit festzustellen, erhält der/die PatientIn spätestens am Tag der Entlassung die entsprechende Verordnung bzw. die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit. Die korrespondierenden Informationen im Hinblick auf den Versorgungsbedarf werden im Krankenhaus-Entlassbrief dokumentiert.

BESTEHENDE ARBEITEN ZU DIGITALEN KRANKENHAUS-ENTLASS­BRIEFEN

Zu Beginn der Erstellungsphase wurde eine umfangreiche Recherche zu bestehenden Arbeiten und Pilotprojekten bzgl. digitaler Krankenhaus-Entlassbriefe durchgeführt. Im Folgenden werden exemplarisch einige Arbeiten und Vorgaben im In- und Ausland beschrieben. 

ARBEITEN IN DEUTSCHLAND


NameBeschreibung und Relevanz für das MIO
ISiK-SchnittstelleDie von der gematik entwickelte standardisierte Schnittstelle für informationstechnische Systeme in Krankenhäusern nach § 373 SGB V (ISiK-Schnittstelle) ist gemäß den gesetzlichen Vorgaben verpflichtend in Krankenhausinformationsysteme (KIS) zu integrieren. Sie kann genutzt werden, um Daten aus dem KIS zu extrahieren und in einen MIO-Krankenhaus-Entlassbrief einzufügen. Daher wird die Interoperabilität mit dem IsIK-Standard (u. a. über die KBV Basisprofile) bereits in der Erstversion des MIO angestrebt. Für zukünftige Ausbaustufen der IsiK-Schnittstelle ist es denkbar, die Schnittstelle auch für die Datenübernahme aus einem erhaltenen Krankenhaus-Entlassbrief in das Primärsystem zu nutzen.
eArtztbriefMit der Richtlinie über die Übermittlung elektronischer Briefe in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 383 SGB V (siehe https://www.kbv.de/html/earztbrief.php) sind Bedingungen für den vergüteten Versand von eArtztbriefen festgelegt. Die mittels KIM-Dienst der TI bzw. KV-Connect übermittelten eArztbriefe müssen qualifiziert elektronisch signiert sein. Der Inhalt muss sowohl als pdf als auch XML-Datei repräsentiert sein. Da in der XML-Datei jedoch nur Informationen zum/r PatientIn und zur Absenderorganisation angegeben werden müssen, wird der Inhalt dieser eArztbriefe in der Regel nur in der pdf repräsentiert und bleibt somit unstrukturiert.
Entlassmanagementbrief

Durch HL7 Deutschland wurde der Entlassmanagementbrief als HL7 Clinical Document Architecture (CDA) [3] auf Basis des CDA-Leitfadens ArztbriefPlus entwickelt und an die Anforderungen des Rahmenvertrags Entlassmanagement angepasst. Eine regelhafte Annotation beispielsweise mit SNOMED CT® Codes ist in der vorliegenden Fassung nicht vorgesehen. Eine Übertragung des CDA-Leitfades in HL7 FHIR® unter Nutzung der Basisprofile der KBV ist nicht ohne weiteres möglich, da der CDA-Leitfaden auf dem Referenzinformationsmodell (RIM) von HL7 v3 beruht, welches vom Datenmodell von HL7 FHIR abweicht und den durch die MIO-Basisprofile gegebenen Kontext nicht berücksichtigt. Eine direkte Übernahme des Entlassmanagementbriefs in die HL7-FHIR®-Modellierung des elektronischen Krankenhaus-Entlassbriefs kann deshalb nicht erfolgen. Es wird jedoch ein Abgleich auf der inhaltlichen Ebene im Rahmen der Umsetzung des MIO vorgenommen.

ärztlicher Kurzentlassbericht nach § 90a SGB VIn Nordrhein-Westfalen wurde im Rahmen des Landesgremiums nach § 90a SGB V ein sog. ärztlicher Kurzentlassbericht Krankenhaus entwickelt und als Papierfassung erprobt. Er bildet zumindest in Teilen die Vorgaben des Rahmenvertrags ab, welcher erst zu einem späteren Zeitpunkt geschlossen wurde. Der Kurzentlassbericht liegt als PDF-Formular sowie als technische Spezifikation auf Basis von HL7 CDA [4] vor. Eine Harmonisierung des elektronischen Krankenhaus-Entlassbriefs mit den Inhalten des Kurzentlassberichts wird vorgenommen.
VespeeraDas in Baden-Württemberg laufende Projekt Vespeera [5], welches von einer großen Krankenkasse sowie einigen Krankenhäusern und Hausarztpraxen getragen wird, zielt auf die Verbesserung und Digitalisierung der intersektoralen Kommunikation. Neben einer strukturierten Einweisung zeichnet sich das Projekt dadurch aus, dass die Hausarztpraxis eines Patienten / einer Patientin nach der Entlassung in das Case Management eng einbezogen werden, mit dem Ziel das Rehospitalisierungsrisiko zu überwachen. Im Rahmen des Entlassmanagements soll der bereits diskutierte HL7 Entlassmanagementbrief genutzt werden.
 I/E-HealthDas abgeschlossene Projekt I/E-Health [6] in Nordrhein-Westfalen fokussierte auf die intersektorale und multiprofessionelle Versorgung durch den übergreifenden Austausch behandlungsrelevanter Daten in einer Reihe von Modellregionen. Hierfür kam die arztgeführte elektronische FallAkte (EFA) sowie elektronische Arztbriefe zum Austausch von behandlungsrelevanten Informationen zur Anwendung. Eine Strukturierung von Krankenhaus-Entlassbriefen wurde im Kontext des Projekts nicht vorgenommen.
SekMa In dem Pilot-Projekt SekMa [7] geht es um die sektorenübergreifende Optimierung des Entlassmanagements in einem Krankenhaus. Durch digitale Vernetzung soll die Verzahnung zwischen dem stationären und ambulanten Bereich sowie die Überleitung in die Pflege verbessert werden. Dabei wird auf die prozessuale intersektorale Verknüpfung fokussiert, und nicht auf Datenaustauschformate.



ARBEITEN UND VORGABEN IM EUROPÄISCHEN AUSLAND

NameBeschreibung und Relevanz für das MIO
ELGADie elektronische Gesundheitsakte (ELGA) [9] in Österreich stellt ein System zur Standardisierung der elektronischen Kommunikation zwischen Leistungserbringern auf der Basis von IHE (Integrating the Healthcare Enterprise) sowie zur Vernetzung von Gesundheitsdaten und -informationen auf der Basis der CDA dar. Die ELGA sieht ärztliche und pflegerische Entlassungsbriefe in einem CDA-Format vor. Der CDA-Leitfaden für den ärztlichen Entlassungsbrief folgt österreichischen Vorgaben und weicht von den Vorgaben des in Deutschland verbindlichen Rahmenvertrags Entlassmanagement ab.
X-eHealthIm von der EU geförderten Projekt X-eHealth [11] sollen die Grundlagen für einen sicheren und interoperablen Datenaustausch von Gesundheitsdaten innerhalb der EU geschaffen werden. Als Ergebnis des Arbeitspaketes 5 (WP5) soll eine Richtlinie und Spezifikation für die Erstellung von Krankenhaus-Entlassbriefen auf Basis einer vorab durchgeführten Anforderungsanalyse erstellt werden. Ein Abgleich mit den ersten zur Verfügung stehenden Informationsmodellen ist erfolgt.
 NHS digitalDer britische National Health Service hat im Rahmen von NHS digital eine nachrichtenbasierte FHIR-API (Application Programming Interface = Programmierschnittstelle) definiert, die verschiedene Varianten von Entlassnachrichten vorsieht (u.a. Acute Inpatient Discharge, Emergency Care Discharge, Mental Health Discharge) [12]. Die Profile basieren auf dem veralteten Standard FHIR STU3 und wurden von NHS Digital in Zusammenarbeit mit der INTEROPEN Community entwickelt, in welcher sich Einzelpersonen, Unternehmen, Leistungserbringer­organisationen sowie Standardisierungsorganisation engagieren. Der Fokus liegt dabei auf dem britischen Gesundheitssystem.
Patient Discharge SummaryIn Irland gibt es ebenfalls Standardisierungsaktivitäten für einen Patient Discharge Summary [13], die sich zunächst auf die notwendigen Inhalte des Dokuments konzentrierten, welche dann auf einen standardisierten Datensatz abgebildet wurde. Eine Beschreibung des Dokuments bzw. Datensatzes auf Basis internationaler Standards ist nicht bekannt.
Estland In Estland werden 97% der Krankenhaus-Entlassbriefe in elektronischer Form über eine zentrale Datenbank gesendet [14], wobei als Technologien HL7-v3-Nachrichten für die Übermittlung und HL7 CDA für die Darstellung von Dokumenten zum Einsatz kommt [15].
Dänemark In Dänemark werden bereits 99% der Krankenhaus-Entlassbriefe digital als sog MedCom-Nachrichten [16] übertragen. MedCom wurde bereits 1994 als öffentlich geförderte Organisation gegründet, mit dem Ziel die digitale Kooperation im dänischen Gesundheitsbereich umfassend zu fördern. Zurzeit wird an einer Übertragung der MedCom-Nachrichten nach HL7 FHIR® [17] gearbeitet.


FAZIT

Das MIO Krankenhaus-Entlassbrief stellt einen wichtigen Schritt in Richtung patientenzentrierter Informationsweitergabe/Kommunikation dar. Der Rahmenvertrag Entlassmanagement stellt als regulative Vorgabe die Basis für den Inhalt des Krankenhaus-Entlassbriefs dar. Das MIO Krankenhaus-Entlassbrief soll durch die Möglichkeiten zur Codierung (SNOMED CT®) und Strukturierung (durch HL7 FHIR®) die Standardisierung des Krankenhaus-Entlassbriefs im Kontext der elektronischen Patientenakte erreichen. 

Als Vorarbeit kommt dem Entlassmanagementbrief von HL7 Deutschland, der ebenfalls auf den Vorgaben des Rahmenvertrags Entlassmanagement beruht, eine besondere Bedeutung zu. Eine direkte Übernahme der Modellierung erscheint nicht möglich, da es sich zum einen um eine CDA-Spezifikation handelt, die nicht in HL7 FHIR® vorliegt und einen anderen Modellierungsansatz verfolgt. Zum anderen ist der Entlassmanagementbrief nicht mit den bereits bestehenden MIO-Definitionen und KBV-Basisprofilen harmonisiert, sodass sich Interoperabilitätsprobleme ergeben. Im Rahmen des Projekts ist ein Abgleich der Inhalte vorgesehen, wobei nicht alle Detailinformationen, die im Referenzinformationsmodell von HL7 vorgesehen sind, abgebildet werden müssen und können.

Einzelne Projekte in Deutschland zeigten schon das Potential des digitalen Entlassmanagements. Das MIO stärkt die Interoperabilität in diesen Ansätzen. Auf europäischer Ebene wird das Projekt X-ehealth bzw. konkret die Entwicklungen des „hospital discharge report“ weiter beobachtet, um an den EU-Entwicklungen anschlussfähig zu sein.


Literatur

  1. Rahmenvertrag über ein Entlassmanagement beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs. 1a S. 9 SGB V, https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/2_Themen/2.3_Versorgung-Struktur/2.3.3_Entlassmanagement/Rahmenvertrag_Entlassmanagement_neu.pdf, zuletzt abgerufen am 11.11.2021
  2. Gesetz für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser (Krankenhauszukunftsgesetz –KHZG) vom 23. Oktober 2020, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  3. HL 7 Deutschland Implementierungsleitfaden Entlassmanagementbrief, https://wiki.hl7.de/index.php?title=IG:Entlassmanagementbrief, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  4. HL 7 Deutschland Implementierungsleitfaden Ärztliches Überleitungsmanagement, https://wiki.hl7.de/index.php?title=IG:%C3%9Cberleitungsmanagement, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  5. Projekt VESPEERA, https://vespeera.org/, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  6. Projekt I/E-Health NRW. Hand in Hand bestens versorgt, https://ie-health.nrw/, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  7. Projekt SekMa, https://senpart.de/uploads/bilder/2020-01-24/SekMaText.pdf, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  8. Elga Meine elektronische Gesundheitsakte, https://www.elga.gv.at/, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  9. EPD elektronisches Patientendossier, https://www.patientendossier.ch/, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  10. Projekt X-eHealth Exchanging Electronic Health Records in a common framework, https://www.x-ehealth.eu/, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  11. NHS Digital, https://digital.nhs.uk/, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  12. National Standard for Patient Discharge Summary Information, https://www.hiqa.ie/sites/default/files/2017-01/National-Standard-Patient-Discharge-Summary.pdf, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  13. E-estonia factsheet e-Health, https://e-estonia.com/wp-content/uploads/2019sept-facts-a4-v02-e-health-2.pdf, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  14. Estonia and Finland – the question of centralisation and decentralisation of digital healthcare, https://www.espon.eu/estonia-and-finland-%E2%80%93-question-centralisation-and-decentralisation-digital-healthcare, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  15. eHealth in Denmark, https://www.medcom.dk/media/1211/ehealth-in-denmark-ehealth-as-a-part-of-a-coherent-danish-health-care-system.pdf, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  16. MedCom test FHIR server, https://medcomfhir.dk/, zuletzt abgerufen am 12.11.2021
  17. HL7/ASTM Implementation Guide for CDA® R2 -Continuity of Care Document (CCD®) Release 1,https://www.hl7.org/implement/standards/product_brief.cfm?product_id=6#:~:text=The%20Continuity%20of%20Care%20Document,enabling%20improvement%20of%20patient%20care, zuletzt abgerufen am 12.11.2021