Rechtlicher Rahmen

Impfungen sind eine der wichtigsten Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionskrankheiten. Geschützt werden sowohl die geimpfte Person als auch im Rahmen eines „Gemeinschaftsschutzes“ Personen, die noch nicht oder aufgrund einer Erkrankung nicht geimpft werden können. Alle durchgeführten Impfungen sind in einem Impfpass zu dokumentieren. Rechtsgrundlage in Deutschland ist hierfür der § 22 Infektionsschutzgesetz, in dem die Dokumentationsinhalte konkret vorgegeben werden. Mit Hilfe des Impfpasses kann nachvollzogen werden, ob die Person einen ausreichenden Impfschutz aufweist oder ob empfohlene Impfungen nachgeholt bzw. aufgefrischt werden müssen. Dies ist sowohl in der normalen Routineversorgung wie auch im Akutfall relevant, wenn entschieden werden muss, ob eine Impfung notwendig ist oder ein ausreichender Schutz vorliegt. Zielgruppen des Impfpasses sind neben den zu behandelnden Personen insbesondere fachärztliches Personal in den Bereichen Kindermedizin und Allgemeinmedizin sowie in der Notaufnahme tätiges medizinisches Personal.

Historisch bedingt ist der Impfpass ein papierbasiertes Dokument, in dem handschriftlich die durchgeführten Impfungen dokumentiert werden. Diese papiergebundene Form führt häufig jedoch dazu, dass die Personen den Impfpass nicht bei sich haben und erst bei Bedarf heraussuchen. Nicht umsonst wurde der Slogan „Deutschland sucht den Impfpass“ in einer Impfkampagne verwendet. In der Folge kann es dazu kommen, dass

  • in einer Akutsituation eine ggfs. nicht erforderliche Impfung erfolgt, da der Impfstatus nicht bekannt ist.
  • die Impfung nicht im Impfpass dokumentiert wird, sondern eine Impfbescheinigung ausgestellt wird. Eine Übertragung in den Impfpass erfolgt im Nachgang häufig nicht. Eine vollständige Impfdokumentation im Impfpass ist damit erschwert.
  • ein Impfpass verloren geht oder anderweitig beispielsweise durch eine Naturkatastrophe vernichtet wird. Damit liegen dann keine Informationen mehr zum Impfstatus vor.

Ein elektronischer Impfpass könnte hier hilfreich sein. Die elektronische Erfassung der Impfdaten bietet einige Vorteile gegenüber der papierbasierten Dokumentation. Eine zentral gespeicherte elektronische Impfdokumentationen zum Beispiel in einer Patientenakte, kann stets eingesehen und ergänzt werden. Dadurch, dass der Impfstatus jederzeit abrufbar ist, können unnötige Nach-Impfungen vermieden sowie das Erreichen einer vollständigen Impfdokumentation erleichtert werden. Ein Verlust der Daten ist nicht so leicht möglich, wie dies mit einem papierbasierten Impfpass der Fall ist.

Ein elektronischer Impfpass kann helfen Impflücken aufzudecken, beispielsweise durch automatisierte Abgleiche mit Impfempfehlungen, und dadurch die Durchimpfungsraten steigern1. Hierbei könnten auch Erinnerungsfunktionen unterstützen2.

Anforderungen an den papierbasierten internationalen Impfpass (ICV – international certificate of vaccination) sind von der WHO vorgegeben. Die einzige Impfung, die zurzeit hiervon verpflichtend umfasst ist und Voraussetzung für die Einreise in ein Zielland sein kann, ist die Gelbfieberimpfung3. Die WHO Vorlage ist jedoch nicht auf Reiseimpfungen beschränkt, sondern kann auch zur Dokumentation aller Impfungen genutzt werden – wie dies zurzeit in Deutschland der Fall ist.

Maurer et al. haben in ihrer Arbeit von 2014 verschiedene Impfpässe, die weltweit genutzt werden, untersucht und eine große Heterogenität festgestellt. Zum Teil werden ausschließlich die WHO Vorlage genutzt, andere Länder nutzen sowohl die WHO Vorlage für Reiseimpfungen als auch andere papierbasierte Impfpässe. Auch die elektronische Dokumentation von durchgeführten Impfungen ist bereits in einigen Ländern üblich4.

Bestehende Arbeiten und Vorgaben zur elektronischen Dokumentation von Impfungen

Sowohl national als auch international gibt es Bestrebungen den Impfpass in digitaler Form anzubieten. In einigen Ländern ist dieser bereits implementiert5.

Einige Länder erfassen durchgeführte Impfungen in zentralen Registern, mit Zugriffsmöglichkeiten der Bevölkerung auf die Daten. Eine Kopplung mit zentralen Impfregistern bietet neben den oben beschriebenen Vorteilen der zentralen Speicherung der Impfdaten, die Möglichkeit der Überwachung von Impfraten der Bevölkerung (Public Health Aspekte).

Im Folgenden werden exemplarisch einige Arbeiten und Vorgaben im In- und Ausland beschrieben. Dies stellt keine abschließende Auflistung aller Arbeiten zur elektronischen Dokumentation von Impfeinträgen im Sinne eines elektronischen Impfpasses dar.

Arbeiten in Deutschland 

In Deutschland war die Dokumentation von Impfungen bisher ausschließlich papierbasiert vorgesehen. Jedoch gibt es auch hier Bestrebungen, die eine Digitalisierung des Impfausweises vorsehen. Diese werden zum Teil – in ein Impfmanagement eingebettet – regional getestet. So hat die AOK Tochter gevko GmbH eine CDA Spezifikation eines elektronischen Impfpasses veröffentlicht6. Das Impfmanagement-Programm ImpfDocNE (GZIM - Gesellschaft zur Förderung der Impfmedizin mbH) hat die Schnittstelle mit entwickelt und bedient diese. Im Rahmen eines Projektes der AOK Plus wird der elektronische Impfpass in Sachsen getestet. Der Impfpass der gevko GmbH geht im Umfang deutlich über die Informationen, die laut § 22 Infektionsschutzgesetz zu dokumentieren sind, hinaus. Die verwendeten Codesysteme basieren auf eigenen Schlüsseltabellen6.

Darüber hinaus hat die GZIM im Auftrag des Hausärzteverbands in Niedersachsen eine neue App entwickelt („impf.app“), mit der in einer zunächst kostenlosen Basisversion die Speicherung von Impfdaten möglich sein soll7. Die App solle im neuen Jahr verfügbar sein und zukünftig für alle Krankenkassen, Privatversicherte sowie allen ärztlich tätigen Personen zugänglich gemacht werden, so der Vorsitzende des niedersächsischen Hausärztverbands7

Auch elektronische Gesundheitsakten wie die Vivy bieten eine Sektion zur elektronischen Dokumentation von Impfungen an8. Zum Teil ist hier jedoch vorgesehen, wie auch beim Gesundheitskonto des online Portals vitabook, dass die Einträge von den zu behandelnden Personen selbst erfasst werden. Da die Einträge nicht durch eine ärztlich tätige Person gemäß Infektionsschutzgesetz erfolgen, ist die Verlässlichkeit der Informationen fraglich, wie auch die Qualität und Vollständigkeit der Einträge.

Arbeiten und Vorgaben im europäischen Ausland

Die Schweiz bietet ihrer Bevölkerung bereits seit 2014 einen elektronischen Impfpass an – das eImpfdossier. Dies kann im elektronischen Patientendossier gespeichert werden. Die Spezifikationen (CDA) mit allen technischen und semantischen Vorgaben, unter Nutzung internationaler Standards (wie auch SNOMED CT®), sind veröffentlicht und frei zugänglich9. Die verwendeten Codes basieren jedoch auf der Prozedur der durchgeführten Impfung, was der Struktur der entsprechenden FHIR Ressource für eine zu dokumentierende Impfung entgegensteht.

Im eImpfdossier können Impfungen auch durch die nutzende Person selbst eingetragen werden. Behandelnden Personen kann Zugang zum Impfpass gewährt werden, um Impfungen zu dokumentieren oder selbsteingetragene zu validieren. Zudem werden auch Impfmanagementfunktion angeboten wie zum Beispiel der Abgleich mit nationalen Impfempfehlungen9. Aus dem elektronischen Impfdossier kann ein offizieller Impfausweis generiert und ausgedruckt werden.

Österreich plant, über die elektronische Gesundheitsakte (ELGA) einen elektronischen Impfpass anzubieten. Die Impfdaten werden in einem zentralen österreichischen Impfregister gespeichert, wodurch eine nahezu vollständige und standardisierte Impfdokumentation möglich sein soll. Technische Spezifikationen sind (bisher) nicht veröffentlicht. Zunächst soll der elektronische Impfpass regional getestet werden – ab 2021 soll dann eine schrittweise Umsetzung in ganz Österreich erfolgen.

In Norwegen werden durchgeführte Impfungen in einem zentralen norwegischen Impfregister gespeichert (SYSVAC). Dies betrifft vor allem die Standardimpfungen für Kinder. Für die Dokumentation anderer Impfungen bzw. Fortführung der elektronischen Dokumentation ist eine Zustimmung der geimpften Person notwendig. Das personenbezogene Impfregister bietet dann einen vollständigen Überblick über alle durchgeführten Impfungen. Weiter hat es zum Ziel, die Durchimpfungsrate in Norwegen zu überwachen; die Daten bieten außerdem die Grundlage für Forschung. Personen können mit Zugangsdaten auf das Impfregister zugreifen, ihre Daten einsehen und eine Impfbestätigung ausdrucken.

Im Projekt für eine auf EU Ebene entwickelte international patient summary sollen Impfeinträge unter der Angabe des Handelsnamens und der Impfung bzw. des Impfstoffs dokumentiert werden. Die Impfung soll dabei mit SNOMED CT® Codes codiert werden (Auf Ebene der Produkte).

Arbeiten und Vorgaben im nicht europäischen Ausland

Kanada bietet zusätzlich zu papierbasierten Impfdokumentationen eine App an – CANImmunize. Die App bietet Personen die Möglichkeit, Impfungen zu dokumentieren, stellt evidenzbasierte patientenverständliche Informationen zu Impfungen bereit und bietet Erinnerungsfunktionen an. Eine Dokumentation der Impfungen durch in Heilberufen tätigen Personen scheint nicht vorgesehen zu sein. Aus der App sollen perspektivisch Impfdaten an Andere, wie zum Beispiel Gesundheitseinrichtungen oder Schulsysteme, übermittelt werden können. Die kanadischen Provinzen arbeiten an einem Netzwerk von Impfregistern. Standardisierte Daten zu Impfstoffen werden zentral veröffentlicht, um Interoperabilität zwischen allen Systemen zu gewährleisten10. Hierbei werden auch SNOMED CT® Codes veröffentlicht und mit den GTINs (Global Trade Identification Number) der Impfstoffe gemappt, damit sie in Primärsystemen genutzt werden können. Darüber wird auch die Interoperabilität zwischen der CANImmunize App und anderen Systemen gewährleistet.

In den USA werden durchgeführte Impfungen in Impfregistern der einzelnen Bundesstaaten dokumentiert und gespeichert11. Die gesetzliche Grundlage und damit auch die Ausgestaltung bezüglich Einwilligungspflichten, Zielgruppen und Zugriffsrechten sind in jedem Bundesstaat verankert und können daher variieren12. Das CDC (Centers for Disease Control and Prevention) als Bundesbehörde hat einen technischen Implementierungs-Leitfaden in HL7 Version 2.5.1 für sogenanntes „Immunization Messaging“ also die elektronische Kommunikation von Impfdaten veröffentlicht. Semantische Vorgaben werden in dem Leitfaden nicht gemacht13. Zusätzlich zum Impfregister können auch elektronische Gesundheitsakten (Electronic Health Records) angeboten werden.

In den USA gibt es zudem eine Initiative, die vorantreibt, dass 2D Barcodes auf die Endverpackungen aufgebracht werden, damit Chargen-Bezeichnung und Verfalldatum automatisch übernommen werden können, um Übertragungsfehler oder fehlende Daten im Impfpass zu vermeiden14.

Arbeiten und Vorgaben auf internationaler Ebene

IHE International (Integrating the Healthcare Enterprise) hat bereits Vorgaben bezüglich eines Dokumentes zum Austausch von impfrelevanten Informationen erstellt. Im Bereich der Patient Care Coordination (PCC) ist bereits 2011 eine Ergänzung, nämlich das Profil Immunization Content (IC)14, hinzugefügt worden. Es umfasst einige Use-Cases, die in diesem Zusammenhang als relevant bezeichnet werden können, aber auch darüber Hinausgehende (Impfmanagement). Dieses Profil ist immer noch im Status Trial Implementation und hat eine andere Implementationsvorgabe (HL7 CDA) als das hier genutzte HL7® FHIR®. Jedoch können globale Vorgaben aus dem Profil genutzt werden.

Fazit

Allgemein besteht Einigkeit darüber, dass die elektronische Erfassung von durchgeführten Impfungen Vorteile gegenüber einer rein papierbasierten Dokumentation bietet. Durchgeführte Impfungen werden international entweder in elektronischen Impfpässen dokumentiert oder in regionalen oder landesweiten Impfregistern personenbezogen und mit Zugang für die Bevölkerung gespeichert.

Die durchgeführte Recherche ergab, dass relativ wenig Informationen bezüglich der semantischen und syntaktischen Vorgaben veröffentlicht und zugänglich sind. Um die Interoperabilität auch international zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, wäre es sinnvoll, Spezifikationen inklusive genutzter Codesysteme und Wertebereiche zu veröffentlichen. Wenn Vorgaben veröffentlicht wurden, sind diese zum Teil älter und nutzen nicht die aktuellsten technischen Standards. Soweit semantische Vorgaben gemacht werden, erfolgt dies meist unter der Nutzung von SNOMED CT® zur Codierung der Impfungen bzw. des Impfstoffes. Dies sollte daher auch in der deutschen Spezifikation des elektronischen Impfpasses umgesetzt werden.

Soweit aus den veröffentlichen Dokumenten nachvollziehbar, erstrecken sich die internationalen Arbeiten meist auf die Dokumentation der Impfungen ohne viele zusätzliche Informationen – vor allem wenn ein Impfregister zugrunde liegt. Eine Ausnahme sind Systeme, wie in der Schweiz, die nicht auf die Datenstruktur beschränkt sind, sondern selbst eine Anwendung inklusive Impfmanagement anbieten. Der deutsche elektronische Impfpass beschreibt als medizinisches Informationsobjekt der elektronischen Patientenakte jedoch lediglich den zu speichernden Datensatz. Es sollte sich zunächst auf die Kerndaten der Impfungen beschränkt werden, wie sie im § 22 Infektionsschutzgesetz vorgeschrieben sind. Funktionalitäten bzw. ein Impfmanagement können die Daten des Impfpasses nutzen und ärztliches Fachpersonal sowie zu behandelnde Personen unterstützen.

Eine Weiterentwicklung bzw. Anpassung des elektronischen Impfpasses als medizinisches Informationsobjekt ist vorgesehen.

Querverweise

  1. Burkhardt T. Die Vorteile überwiegen [The benefits prevail – why electronic immunization records are advantageous to the general practitioner and his patients]. Ther Umsch 2016;73:297–300.
  2. Jacobson Vann JC, Jacobson RM, Coyne-Beasley T, Asafu-Adjei JK, Szilagyi PG. Patient reminder and recall interventions to improve immunization rates. Cochrane Database Syst Rev 2018;1:CD003941. (Accessed July 4, 2019).
  3. World Health Organization. Amendment to International Health Regulations (2005), Annex 7 (yellow fever) 2005.
  4. Maurer W, Seeber L, Rundblad G, et al. Standardization and simplification of vaccination records. Expert Rev Vaccines 2014;13:545–59.
  5. European Centre for Disease Prevention and Control. Designing and implementing an immunisation information system, A handbook for those involved in the design, implementation or management of immunisation information systems. Stockholm, 2018.
  6. gevko GmbH. Leitfaden zur strukturierten und übersichtlichen Abbildung des internationalen Impfpasses der WHO für informationstechnische Systeme im Gesundheitswesen inkl. Erweiterungen gegenüber der Papierfassung, die für beteiligte Leistungserbringer und den Patient, 2018. (Accessed July 9, 2019, at https://www.vesta-gematik.de/standards/detail/standards/leitfaden-zur-strukturierten-und-uebersichtlichen-abbildung-des-internationalen-impfpasses-der-who-fue/).
  7. Beneker, C, Niedersachsens Hausärzte digitalisieren den Impfpass in: https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Niedersachsens-Hausaerzte-digitalisieren-den-Impfpass-404326.html [29.11.2019], zuletzt geprüft: 16.12.2019
  8. Vivy. Dein digitaler Impfpass. (Accessed July 17, 2019, at https://www.vivy.com/digitaler-impfpass/).
  9. eHealth Swiss. eImpfdossier (eVACDOC), CDA-CH-VACD (specification), 2018. (http://e-health-wiki.ch/index.php/Ehscda:CDA-CH-VACD_(specification)).
  10. The Canadian Vaccine Catalogue. CANImmunize, 2019. (https://cvc.canimmunize.ca/en/home).
  11. Texas Department of State Health Services. ImmTrac2 Registry. (https://www.dshs.texas.gov/immunize/immtrac/default.shtm).
  12. Centers for Disease Control and Prevention. Survey of State Immunization Information System Legislation. (https://www2a.cdc.gov/vaccines/iis/iissurvey/legislation-survey.asp).
  13. Centers for Disease Control an Prevention/NCIRD. HL7 Version 2.5.1 Implementation Guide: Immunization Messaging, 2014.
  14. Centers for Disease Control and Prevention. Immunization Information Systems, Two-Dimensional (2D) Vaccine Barcodes. (Accessed July 4, 2019, at https://www.cdc.gov/vaccines/programs/iis/2d-vaccine-barcodes/index.html).
  15. IHE International IC Profile http://www.ihe.net/Technical_Framework/upload/IHE_PCC_Suppl_Immunization_Content_Rev2-2_TI_2011-09-09.pdf